Transalp 2006 - In der Wildnis des Schweizer Schilderdschungels
Tagebuch der Vorbereitung
21. Januar 2006 Erste Planungen
Es sind jetzt schon gut 4 Monate seit unserer letzten Tour vergangen. Was wir kaum für möglich gehalten hätten, ist eingetreten: wir überlegen uns tatsächlich wieder ernsthaft, auch dieses Jahr eine Radtour in den Alpen zu machen.
Eines ist jedoch sicher, eine richtige Alpenüberquerung vom Nordrand zum Südrand oder umgekehrt werden wir nicht mehr versuchen. Irgendwie ist das mit den Alpen so, wie wenn man einen riesigen See vor sich hat und von einem Ufer zum anderen schwimmen will. Wir haben uns letztes Jahr bei diesem Versuch in der Seemitte von einem Boot aufnehmen lassen und sind damit ein ganzes Stück weit zum anderen Ufer gefahren.
Damit uns das nicht wieder passiert, werden wir diesmal immer in Ufernähe bleiben. Eine erste Streckenidee besteht in unseren Köpfen bereits. Wir überlegen uns, den Mont Blanc zu umrunden. Als Alternative steht derzeit eine Umrundung des Bodenseess zur Diskussion.
Eines haben wir letztes Jahr auf jeden Fall gelernt: eine exakte Routenplanung ist völlig sinnlos. Es kommt sowieso immer anders. Wenn ich denke, wieviel Arbeit ich 2005 in die Ausarbeitung einer Route gesteckt hatte, nur um danach sämtliche Streckenplanungen zu Hause zu vergessen und bereits am zweiten Tag völlig anders zu fahren, als ursprünglich vorgesehen.
Dieses Jahr legen wir nur ein grobe Richtung fest und nehmen gleich nur eine Übersichtskarte im Maßstab 1:300.000 mit. Wir sparen uns damit schon mal fast eine Kilogramm Papier für Karten und Wegbeschreibungen.
In den nächsten Wochen wissen wir sicher Genaueres und melden uns hier wieder zu Wort.
27. Januar 2006 Der Plan will nicht reifen
Wir führen bereits heftige Diskussionen über unser nächstes Ziel. Elisabeth ist gar nicht so besonders von meiner Idee mit der Umrundung des Mont Blanc begeistert. Sie hat keine große Lust, immer nur Touren zu unternehmen, die vor ihr schon Zehntausend andere gefahren sind. Außerdem hätten wir eine Teil der Umrundung schließlich schon 2004 gemacht.
Ich grüble also inzwischen, wie ich eine Tour zusammen stellen kann, die etwas Besonderes hat. Was ja schon einmal ausscheidet, ist die Strecke von Wien nach Nizza, da diese letztes Jahr bereits von Herrn Stöckli gefahren wurde. Außerdem soll es ja eher etwas Kleines sein.
28. Februar 2006 Eine neue Zahnfibel
Endlich ist es geschaftt, die Beschreibungen der Pässe des Jahres 2005 sind alle fertig. Ab sofort bleibt damit auch mal mehr Zeit für die weitere Planung des diesjährigen Tour.
Mittlerweile habe ich mich schon ein bißchen informiert und mir außerdem das neue Buch von Meister Zahn zum Thema Mountainbiketrails zugelegt. Für die von mir favorisierte Bodenseeumrundung enthält dieser Reiseführer leider keine Vorschläge, dafür jedoch für die Umrundung aller möglichen großen Berge u.a. auch für den Mont Blanc.
Elisabeth liebäugelt jedoch mittlerweile mit dem Monte Rosa oder auch dem Grand Combin oder einer Mischung aus beiden Rundtouren. Außerdem hätte sie gerne, dass wir möglichst oft in Italien oder auch Frankreich übernachten, da sie keine Lust hat, in verrauchten Gaststätten zu Abend zu essen, wie sie nunmal in der Schweiz öder Österreich der Standard sind. Prinzipiell ist sie auch dafür, nur eine kurze Runde zu fahren. Wenigstens hier sind wir uns bis jetzt einig.
22. Juni 2006 Testtag Bikepark Oberammergau
Dieses Jahr war die Winterpause erst im Juni zu Ende. In den letzten Wochen hatte es zuerst zuviel Schnee und dann zuviel Regen. Entsprechend haben wir diesmal noch deutlich mehr Winterspeck bis in die warme Jahreszeit hinein konserviert, als dies dem langjährigen Mittel entspricht.
Da uns unter diesen besonderen Umständen ein Bergauffahren aus eigener Kraft nicht besonders verlockend erschien, haben wir an Fronleichnam den nagelneuen Bikepark in Oberammergau auf seine Anfängertauglichkeit geprüft.
Erst bei der vierten Abfahrt gelang mir eine Abfahrt ohne Sturz oder Fuß am Boden und nach der sechsten und letzten Abfahrt hatten wir eine stolze Bilanz aufzuweisen:
Zwei aufgeschürfte Unterarme, ein Bluterguss am Oberarm, eine verbeulte Hüfte, eine Rippenprellung, eine verbogene Bremsscheibe am Hinterrad sowie in den Folgetagen einen ausgewachsenen Muskelkater zwischen den Fußballen und dem obersten Halswirbel. Für Radler mit bescheidenen fahrtechnischen Mitteln stellt die Strecke in Oberammergau durchaus gewisse Prüfungen bereit.
Unser Plan für die Tour 2006 hat sich noch überhaupt nicht weiter entwickelt. So wie es aussieht, werden wir Anfang Juli für 1 oder 2 Wochen erst einmal nach Frankreich fahren, um in der Gegend um Briancon ein paar der zahllosen Tourenmöglichkeiten auszunutzen.
Ich hoffe, dass danach meine Motivation zur Planung der Urlaubstour soweit ausreicht, um wenigstens Karten zu besorgen und ein paar Recherchen im Internet vorzunehmen.
28. Juli 2006 Briancon
In der zweiten Juliwoche haben wir es doch noch geschafft, eine Woche Urlaub in Frankreich zu machen. Wie immer hatten wir beide bis zur letzten Minute eine Riesenhektik mit der Arbeit. Die geplante zweiwöchigen Pause mit viel Bewegung und Konditionsaufbau ist in der Hitze des diesjährigen Hochsommers auf eine Woche zusammen geschrumpft.
Wegen der anhaltend hohen Temperaturen fiel das geplante intensive Radtraining mit möglichst viel Höhenmetern und ebensolchem Kalorienverbrauch einem nicht weniger intensiven Genuß von Hängematte und kulinarischen Leckereien zum Opfer. Immerhin hatten unsere Räder die Gelegenheit über die in der Gegend um Briancon so reichhaltigen verstreuten Singletrails täglich ein paar hundert Höhenmeter abzubauen. Der Spaß kam mit Sicherheit nicht zu kurz.
Obwohl es jetzt schon Ende Juli ist, haben wir erst letztes Wochenende unsere erste größere Tagestour in den Bergen unternommen. Die Auffahrt in das Tegestal mussten wir allerdings mangels Antriebskraft zu einer Wanderung umfunktionieren.
Da wir mit unserer ungeplanten und dann abgebrochenen ersten Versuch einer Alpenüberquerung im letzten Jahr die positive Erfahrung gemacht hatten, dass Ausdauer und Kraft dabei eine günstige Entwicklung nehmen, haben wir beschlossen, dieses Jahr ein verlängertes Wochende für eine größere Trainingsrunde zu nutzen.
11. August 2006 Kleine Runde durch das Vinschgau
Trotz dem mittlerweile eher spätherbstlichen Wetter, hatten wir letztes Wochenende ziemlich Glück mit den atmosphärischen Gegebenheiten. Bei unserer Trainingsrunde zwischem dem Engadin und dem Ortler hatten wir zwar viele Wolken aber nur sehr wenig Regen bzw. Schnee. Ein Anlass zum Schwitzen wurde uns allerdings auch kaum gegeben. Zumindest am Stilfserjoch und später am Madritschjoch lagen die Temperaturen gefühlt deutlich unter dem Gefrierpunkt.
Vielleicht schreiben wir noch einen kurzen Erlebnisbericht zu dieser kleinen Rundtour, die uns in 4 Tagen von Scuols im Engadin über den Chaschauna-Pass nach Livigno weiter über den Trela-Pass zum Lago Cancano geführt hat. Weiter ging es über die Bocchetta di Forcola zum Umbrailpass und anschließend zum Stilfserjoch mit folgender Trailabfahrt über den Goldseesteig nach Stilfs. Am dritten Tag sind wir über Sulden und das Madritschjoch in das Etschtal abgefahren und haben unsere Runde mit der Überquerung des Schlinigpasses beendet.
An den Aufstieg zum Chaschauna-Pass am ersten Tag mag ich gar nicht mehr denken. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich mir beim Schieben von einer Frau helfen lassen, um überhaupt den höchsten Punkt zu erreichen. Am zweiten Tag ging es dann schon etwas besser und am Madritschjoch hat das Schieben bergauf dann bereits Spaß gemacht.
Meine neuen Radschuhe von Shimano machen auch nach diesen insgesamt knapp 3000 geschobenen Aufstiegshöhenmetern noch einen verläßlichen Eindruck. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich das letztjährige Modell bereits in den Ruhestand verabschiedet.
13. August 2006 Tour de Surprise
Es sind jetzt gerade noch 2 Wochen bis zum geplanten Start unserer diesjährigen Fahrradtour. Eigentlich sollte man meinen, dass wir bis auf ein paar Kleinigkeiten bereits alles vorbereitet haben. Bezüglich der Ausrüstung und unserer körperlichen Verfassung trifft dies, soweit überhaupt möglich, auch zu. Das einzige, was uns fehlt, ist der Weg. Unsere Streckenplanung ist noch genauso unausgereift wie Anfang des Jahres.
Heute haben wir uns nach schier endlosen Diskussionen darauf geeinigt, eine Tour de Surprise zu unternehmen. Die Planung der genauen Strecke machen wir von Tag zu Tag, d. h. wir entscheiden jeweils erst im Laufe eines Tages, wohin wir am nächsten Tag fahren. Nur die Großrichtung sollte stimmen.
Je nach Wetterlage am Startwochende werden wir eine von 2 Varianten einschlagen:
- bei gutem Wetter in unserer Region Start am Bodensee und über das Berner Oberland in Richtung des Mont Blanc
- bei schlechtem Wetter Start am Genfer See (falls es dort besser ist) und Fahrt über den Mont Blanc in Richtung Bodensee. Je nach Wetterlage ziehen wir entweder über das Wallis oder das Berner Oberland.
Angesichts der geradezu abenteuerlichen Preise für topographische Karten des schweizer Staatsgebietes haben wir uns dazu entschieden, ganz darauf zu verzichten. Es ist ansonsten kein Problem, ganz einfach mal 300 bis 400 Euro für die Abdeckung einer längeren Strecke auszugeben. Stattdessen werden wir uns mit folgenden Informationsschriften ausrüsten:
- Velokarte Schweiz 1:300.000 von Kümmerly + Frey
- Übersichtskarte aus dem vorderen Umschlag der Zahn´schen Alpencrossfibel (1 Seite)
- Liste der Pässe aus der Zahn´schen Alpencrossfibel (2 Seiten)
Die Velokarte und das Buch haben wir bereits seit längerer Zeit. Die Investitionskosten liegen damit bei etwa 30 Cent für die drei Kopien. Das Gesamtgewicht pendelt sich bei rekordverdächtigen 105 Gramm ein.
Wie unsere Erfahrungen im letzten Jahr gezeigt haben, hängt vor Ort immer irgendwo eine Karte aus. Diese lässt sich dank moderner Digitaltechnik leicht fotografieren und damit bei der Weiterfahrt nutzen. Die Gewichtszunahme des Speicherchips ist auch bei Farbfotos nur unwesentlich. Vor Ort wollen wir einfach Einheimische oder andere Radler fragen, welchen Weiterweg sie uns empfehlen.
Starten werden wir voraussichtlich am 26. August. Das Ende soll dann etwa 2 Wochen später sein.
Auf Tour
950.8 km, n/a