Transalp 2012 - Zehn Jahre bis Orange
Planung und Vorbereitung
Das Jahr 2012 wird uns in ewiger Erinnerung bleiben. Nie zuvor in unserem Leben hatten wir so dringend das Bedürfnis unsere eigenen vier Wände zu verlassen und in Urlaub zu fahren wie diesen Sommer.Kurz nach dem Jahreswechsel hatte der Besitzer unseres Hauses eine energetische Sanierung angekündigt. Sein Architekt und Energieberater hatte uns in einem ausführlichen Gespräch erläutert, dass wir trotz der kommenden Baumaßnahmen nur unwesentlich gestört würden. In nur knapp zwei Monaten sollte alles abgeschlossen sein. Danach könnten wir uns auf eine künftig niedrige Heizkostenabrechnung freuen. Als kleines Zuckerl würden wir außerdem ein neues Bad und statt des Linoleums Baujahr 1932 neue Parkettböden obendrauf bekommen. Ganz nebenbei sollte auch die Elektrotechnik auf Vordermann gebracht werden. Direkt nach Ostern würde es losgehen und bereits Anfang Juni wäre alles abgeschlossen.
Bis Ende März mussten wir unseren beiden Abstellräume in Keller und Dachboden komplett beräumen, da hier wegen der Neuverlegung von Leitungen und der Anbringung von Isolierungen alles zugänglich sein musste.
Da wir während der Umbauphase auch noch zeitweise und abwechselnd immer mindestens ein komplettes Zimmer freizuhalten hatten, hatten wir uns einen Umzugscontainer zur Einlagerung bei einer Spedition bestellt.
In der Woche vor Ostern wurde all das abtransportiert, von dem wir glaubten, es in den nächsten zwei Monate nicht unbedingt zu benötigen. Es ist erstaunlich, wie schnell so ein riesiger Container randvoll gefüllt ist. Trotzdem war unsere Wohnung danach alles andere als leer.
Gleich am Dienstag nach Ostern hatten wir, wie im Bauzeitenplan vorgesehen, den ersten Handwerker zu Gast. Der Elektriker und sein Azubi schafften es innerhalb eines einzigen Arbeitstages, die gesamte Verkabelung unserer Wohnung zu demontieren. Als Ersatz bekamen wir eine Kabeltrommel aus dem Bauverteilerkasten in unsere Wohnung gelegt und dazu eine 500 Watt-Baustellenlampe.
Zwei Wochen nach Baubeginn waren die Bauarbeiten knapp vierzehn Tage im Verzug. Die Elektriker hatten sich nach dem ersten Arbeitstag nicht mehr sehen lassen. Erst Anfang Juni waren die ersten Steckdosen wieder betriebsbereit und nur vier Wochen später funktionierte auch der Festnetzansschluss des Telefons wieder. Nach drei Monaten Abstinenz waren wir wieder im Internet. In der Zwischenzeit wurden wir immer wieder mit dem Aufbrechen neuer Leitungsschlitze beglückt. Man glaubt gar nicht, wie sich dabei entstehender, feiner Ziegelstaub selbst in geschlossene Behältnisse jeder Art verkriecht.
Unser Hausbesitzer hatte allerdings bald Mitleid mit uns gehabt und hatte uns seinen Gartenschuppen für den Sommer kostenlos zur Verfügung gestellt. Mit dem Gaskocher und der rudimentär vorhandenen Küchenausrüstung der Gartenlaube konnten wir uns zumindest bei trockenem Wetter einigermaßen selbst versorgen.
Knapp vier Monate nach Baubeginn kam langsam Licht am Ende des Tunnels auf uns zu. Die Fenster und Fensterbänke waren neu gesetzt und auch der neue Boden verlegt. Die Dusche war zwar noch nicht wieder angeschlossen und auch der Gasherd in der Küche funktionierte noch nicht wieder, aber immerhin war der Dreck verschwunden.
Schon Anfang Juli war klar, dass wir wegen der baubedingten Behinderungen unseres Lebens keine umfangreichen Reisevorbereitungen treffen konnten und wollten. Wir hatten einfach nur noch den Wunsch woanders zu sein und zu radeln. Es lag deshalb nahe, das dort zu tun, wo wir uns am besten auskannten und damit am wenigstens zu recherchieren brauchten. Die Westalpen zwischen Wallis, Montblanc und Provence sind außerdem immer eine Reise wert.
Dank des Sonderangebotes Schweiz-Spezial der Deutschen Bahn waren An- und Abfahrt unkompliziert und für recht wenig Geld gebucht. Wenn man früh genug bestellt, kosten auch lange Strecken kein Vermögen. Das uns bislang völlig unbekannte Alpendorf Iselle de Trasquera am Südrand der Schweiz (aber schon in Italien) war damit der gesetzte Startpunkt unserer Tour. Gut drei Wochen nach der Hinreise mussten wir dann irgendwie nach Genf kommen und dort in den Zug Richtung Heimat steigen.
Ende Juli kam dann eine Werbemail des französischen Staatsinstituts für Geographie ins Postfach. Als neuer Service wurde das Programm Sitytrail beworben. Alle Karten und Luftbilder des gesamten Landes waren ab sofort im Jahresabo für knapp zwanzig Euro in beliebigem Umfang abrufbar. Um dieWerbetrommel ordentlich zu rühren, sollten die ersten Wochen zu Testzwecken sogar völlig kostenlos sein. Zehn Minuten später war die Software bereits heruntergeladen und freigeschaltet. Auch auf dem Handy funktionierte die Sache perfekt. Ich war begeistert.
In den nächsten Tagen hatte ich mir mit dem neuen Programm schnell eine grobe Wunschlinie bis hinunter an das Mittelmeer zusammen gezimmert. Um die Rückfahrt nach Genf möglichst einfach zu gestalten, war nicht Nizza, sondern Marseille der vorläufige Zielpunkt. Von dort kann Genf auch ohne den TGV in wenigen Stunden mit dem Zug erreicht werden. Wie der Zufall es will, lag auf dem Weg dorthin auch die Verdon-Schlucht. Dort wollte ich schon seit langer Zeit einmal hin.
Auf Tour
Nach vielen harten Wochen auf unserer Heimatbaustelle haben wir es endlich geschafft, das staubige Grauen hinter uns zu lassen. Am 1. September 2012 haben wir uns von der Bahn in die Nähe des Lago Maggiore chauffieren lassen, sind ein bisschen in der Gegend herumgefahren und wurden am 23. September von der Bahn unweit von Avignon wieder aufgelesen.
889.1 km, 06:31:00