Transalp 2017 - Im Jahr des sechsten Wirbels

Planung und Vorbereitung

Das Radjahr 2017 fängt Anfang Mai eigentlich ganz vielversprechend an. Wir nutzen einen Feiertag für einen 4-Tage-Kurzurlaub im Rentnerparadies Mieminger Sonnenplateau. Nach einem schweißtreibendem Tag im Klettergarten ergreifen wir die Gelegenheit, endlich einmal ein stromgetriebenes Rad auszuprobieren. Es gibt allerdings nur Hardtails zu leihen. Ich fahre etwa zwei Minuten damit, Elisabeth den ganzen Tag.

Bergauf habe ich mit meinem selbstbetriebenen Untersatz am Grünberg keine Chance. Ich weiß es deshalb zu schätzen, dass Elisabeth auf halber Höhe auf mich wartet. Wie ich allerdings erfahre, handelt es sich nicht um eine gute Tat, sondern um eine Zwangspause. Der Motor hat sich selbst in den Ruhemodus versetzt. Vermutlich war es ihm zu heiß und entgegen dem Willen der Firma Bosch kommt man auch mit großer Kraftanstrengung bergauf keine zehn Meter weiter. Fünf Minuten später läuft er wieder. Bergab bin ich auf dem teilweise holprigen Trail dann wieder dank der besseren Federung eindeutig im Vorteil.

Am Nachmittag machen wir einen Abstecher zum Lehnberghaus. Während Elisabeth die Sonnenterrasse nutzt, kämpfe ich mich zu Fuß über die großflächigen Reste des Winterschnees zum Einstieg des Wank-Klettersteigs. Im Fels wird der Schnee zwar weniger, trotzdem verschwindet das Drahtseil an mancher Stelle im harten Weiß. Im Abstieg vom Gipfel treffe ich immer wieder auf die Abdrücke von Stollenreifen. Schlecht sieht der Pfad wirklich nicht aus. Allerdings müsste man das Rad erst einmal nach oben tragen.

Am nächsten Morgen zwickt es mich irgendwo zwischen den Schulterblättern. Vermutlich habe ich mir im Klettersteig einen Muskel gezerrt. Beim anschließenden Klettern in Nassereith vergesse ich das kleine Zipperlein aber bald.

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Ein paar Tage später bringt sich mein Rücken wieder in Erinnerung. Trotz Bettflasche und Gymnastik wird es aber auch im Laufe der nächsten Woche nicht besser. Als der Leidensdruck meine persönliche Belastungsgrenze überschreitet, mache ich einen Termin beim Massagestudio aus, das nur ein paar Meter neben unserem Büro liegt. Nach der ersten Sitzung bin ich zutiefst erstaunt, welche Kräfte eine sicher nicht einmal 50 Kilo schwere Frau bei der Rücken-Thaimassage entwickelt. Ich bin platt. Aber irgendwie scheint es zu helfen.

Einen Tag nach der dritten Sitzung verschwindet der positive Effekt allerdings schlagartig. Mein ganzer rechter Arm hat sich dem vom Schulterblatt ausgehenden Schmerz angeschlossen. Noch am gleichen Tag besuche ich meinen Hausarzt. Nach kurzer Untersuchung vermutet er, dass es gar nichts mit den Muskeln zu tun hat. Er tippt auf die Halswirbelsäule. Anfang Juni erhalte ich nach dem CT die Diagnose. Unterhalb des 6. Wirbels hat die Bandscheibe nicht mehr die gewünschte Form. Sie drückt jetzt auf den Nervenkanal und beschert mir damit ein gediegenes zervikales Syndrom.

Ich bekomme eine Großpackung Ibuprofen, eine Extraportion an Schmerztabletten, ein Rezept für die Physiotherapie und dazu bis auf Weiteres ein Verbot für alle Sportarten, die der Genesung entgegen stehen. Klettern steht dabei ganz oben auf der roten Liste, dicht gefolgt vom Rennradfahren. Die gebückte Haltung mit überstreckter Halswirbelsäule würde zuverlässig für eine weitere Verschlechterung meines Zustands sorgen. Radfahren wäre nur dann ok, solange ich aufrecht sitzen würde, ohne den Kopf beim Fahren anheben zu müssen.

Auch mit den nach ärztlicher Anweisung dosierten Schmerztabletten ist es selbst auf dem Mountainbike kaum länger als fünf Minuten auszuhalten. Der Schmerz auf der rechten Seite entwickelt sich beim Fahren fast jedesmal ausgesprochen eindrücklich.

Beim Versuch, die Dosis vor dem Radeln um eine Tablette zu erhöhen, muss ich feststellen, dass die im Beipackzettel prognostizierte Fahruntüchtigkeit tatsächlich eintritt. Mein Reaktions- und Koordinationsvermögen liegt in etwa auf dem Niveau eines 2-Promille-Vollrausches.

Mit einer eilig bestellten Schaftverlängerung und zusätzlich einem verstellbaren Vorbau hebe ich die Handgriffe an meinem alten Bergrad gut 15 Zentimeter an. Jetzt sitze ich wirklich mit fast senkrechtem Oberkörper im Sattel. Zumindest wird der ohnehin dauernd pochende Schmerz jetzt auf dem Rad nicht noch schlimmer.

Bis Anfang Juli beschränkt sich der Radsport auf den kurzen Weg zum Büro und zwei- bis dreimal die Woche auf die Fahrt zu meiner Therapeutin. Nach einem vermutlich zu optimistischen Absetzen der Schmerztabletten bin ich erst einmal frustriert. Der sich langsam in Richtung Besserung bewegende Zustand scheint sich ohne sedierende Medikamente sofort auf den Rückweg zu machen.

Es dauert schließlich bis Anfang September, bis der Schmerz auch ohne Tabletten nur noch lästig ist. Wir brechen mit dem Auto auf, um in der Poebene zwei Wochen Urlaub zu machen. Die Räder stecken auf jeden Fall auch im Kofferraum.

Am Ende der beiden Wochen, habe ich die Bandscheibe fast vergessen. Nichts zwickt mehr. Schwimmen, Klettern und Radfahren in der erstaunlich hügeligen Gegend südlich von Vicenza scheinen ihre heilende Wirkung hinterlassen zu haben.

Meine Euphorie genügt, um kurz danach doch noch einen klitzekleinen Alpencross anzugehen. Da wir am erster Oktoberwochenende mit Freunden 4 Tage Kurzurlaub in Südtirol machen wollen, eröffne ich Elisabeth, dass ich mich schon ein paar Tage vorher mit dem Rad auf den Weg dorthin machen würde. Ihr bleibt die ehrenvolle Aufgabe, mir meine Wanderschuhe mit dem Auto hinterherzufahren.

Meine Physiotherapeutin hat mir zwei Tage vor der Abreise bei der insgesamt vierzigsten und damit letzten Sitzung ans Herz gelegt, ein drei Meter langes Theraband, eine Faszienrolle und eine Badehose für die Tour einzupacken. Um den dafür nötigen Stauraum im Rucksack zu schaffen, müssen Luftmatratze, Schlafsack und meine Katze zu Hause bleiben.

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Unser Tourentagebuch als PDF zum nachlesen

Tag 01 bis 08 - Gesamtbericht
Tag 01 - Umbau zum Berg-Rollator
Tag 02 - Adrenalindusche oder Schlammbad?
Tag 03 - Radfreier Tag an Arlberg
Tag 04 - Vereinsamte Alpencrosserwege
Tag 05 - Drei Bäume, zwei Arme und ein Lenker
Tag 06 - Ein Traum in nebelnassem Grau
Tag 07 - Ein Pass wo keiner ist
Tag 08 - Aus die Maus

Stationen der Tour

Füssen; Bleckenau, Jägersteig, Plansee, Heiterwang, Stanzach, Holzgau, Kaisers, Bodenalpe, Leutkircher Hütte, St. Anton, Verwalltal, Heilbronner Hütte, Valschavielberg,Zeinisjoch, Galtür, Ischgl, Fimbatal, Heidelberger Hütte, Fimbapass, Sur En, Norbertshöhe, Nauders, Reschenpass, Via Claudia, Burgeis, Taufers, Tellakopf, Taufers, St. Maria, Valchava, Lü, Alp Tabladatsch, Lai da Valpaschun, Taunter Ruinas, Ruinatsch, Müstair, Taufers, Umbrailpass, Bocchetta di Forcola, Bocchetta di Pedonolo, Lago di Cancano, Passo Val Mora, Döss Radond, St. Maria, Müstair, Taufers